Fotostiftung Winterthur – Salvatore Vitale: „How to Secure a Country“ vom 23.02.19 bis 26.05.19

Text der Fotostiftung:

„Die Schweiz gilt gemeinhin als eines der sichersten Länder der Welt – und als ein Beispiel für Effizienz und Produktivität. Aber wie gewährleisten staatliche und private Einrichtungen dieses wertvolle Gut, das ebenso ein Grundbedürfnis wie ein Milliardengeschäft ist? Und wieviel Freiheit sind wir als Bürger bereit, für unsere Sicherheit preiszugeben? Salvatore Vitale (geb. 1986 in Palermo, lebt in Lugano und Zürich) untersucht in seinem mehrjährigen visuellen Forschungsprojekt die Mechanismen, die diesem Präventions- und Abwehrschild zugrunde liegen. Die vielfältigen daran beteiligten Akteure – Polizei, Militär, Zoll- und Migrationsbehörden, Wetterdienste, IT-Unternehmen und Forschungseinrichtungen für Robotics und Artificial Intelligence – unterzieht er dabei einer eingehenden Betrachtung. Die Ausstellung macht die mitunter verborgene und oftmals abstrakte Herstellung von Sicherheit auf sinnliche Weise erfahrbar, in einem Parcours, der Fotografien, aber auch Datenanalysen und eine sensorbasierte Installation einschliesst. Sie versteht sich als aktuellen künstlerischen Debattenbeitrag in einer Gesellschaft, die sich mit wachsenden Bedrohungen – real oder wahrgenommen – durch Terrorismus und Cyber-Kriminalität, Überwachung und Datenmissbrauch konfrontiert sieht. Die Fotostiftung Schweiz präsentiert die erste umfassende Ausstellung dieser Arbeit des Schweizer Künstlers italienischer Abstammung.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation bei Lars Müller Publishers.“

Buch: Wie reden die Rechten?

Dieses Buch kommt zur rechten Zeit. Es heisst genauer „Die Rhetorik der Rechten„, die Autorin ist Franziska Schutzbach (sie forscht auf diesem Gebiet), und erschienen ist es in der Edition Xanthippe.

Aus dem Klappentext: „Rechte Weltanschauungen haben Aufschwung. Das hat verschiedene Gründe. Einer ist, dass eine spezifische rechtspopulistische Rhetorik rechte bis rechtsextreme Weltanschauungen wieder gesellschaftsfähig gemacht hat. Diese Rhetorik baut unter anderem darauf, die Grenzen zwischen Konservatismus und rechtsnationalistischen Positionen zu verwischen und extreme Positionen unkenntlich zu machen. Dadurch werden diese mit der bürgerlichen Mitte kompatibel. Teile dieser Mitte haben sich radikalisiert, ohne dass es «rechts» wirkte.“

Und: „Im Buch geht es nicht zuletzt auch um die Frage, was wir gegen rechtspopulistische Rhetorik tun können: Welche Gegenstrategien gibt es?“

Das Buch kostet 20 Franken und kann z.B. in der Buchhandlung Waser (bei Monika Waser und Ruedi Moser von der Friedensbewegung) bestellt werden.

Von Froschauer zu Orell Füssli oder die Geschichte des Buchdrucks in Zürich, Ausstellung vom 21.02.19 bis 22.04.19

Unter dem Namen „Von der Bibel zur Banknote – Drucken seit 1519“ ist im Nationalmuseum (früher Landesmuseum genannt) eine Ausstellung über den Zürcher Buchdruck zu sehen.

Zitat: „Begonnen hat dessen (gemeint ist Orell Füssli – admin) Geschichte vor 500 Jahren mit Christoph Froschauer, der mit der Produktion einer Bibel berühmt wurde“. Dieser Satz wird allerdings Froschauer nicht gerecht. Christoph Froschauer war nicht nur Buchdrucker, sondern er gehört zusammen mit Zwingli zu den grossen Aufklärern des späten Mittelalters.

Portrait von Christoph Froschauer (1490-1564), Wandgemälde am Orell Füssli Hauptsitz in Zürich-Wiedikon, Martin Sauter unter wikimedia commons

Der Buchdruck, von Gutenberg in Mainz um 1450 wieder erfunden (erster bekannter Buchdruck in China im Jahr 868), war an sich schon ein Akt der europäischen Aufklärung, denn er legte den Grundstein für die Ueberwindung des Analphabetismus und die Ausweitung von Wissen in breiten Volkskreisen und wurde somit ein neues Produktionsmittel. Nur so konnten sich die Ideen des Kapitalismus und des Sozialismus überhaupt verbreiten.

Froschauer kann jedoch nicht auf den Bibeldruck reduziert werden; er war ein Wissensvermittler. Zitat aus Hans Rudolf Lavater-Briner, Die Froschauer Bibel 1531:

„1543 erschien ein Verlagskatalog mit 216 Titeln. Das Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts (VD 16) kennt über 770 Drucke, darunter 67 deutsche Bibel(teil)ausgaben, altsprachliche Bibel(teil)ausgaben, Bibelkommentare, Einblattdrucke und -kalender, Gesangbücher (seit 1559 mit Notentypen), theologische und sonstige gelehrte Werke (Bibliander, Bullinger, Fries, Geßner, Gwalter, Jud, Lavater, Mahler, Oekolampad, Pellikan, Stumpf [Schweizer Chronik 1547/48 mit fast 4000 Abbildungen], Vadian, Vermigli, Zwingli), römische und griechische Klassiker, Akzidenzdrucke für Kirche und Staat (bis 1537 auch fast alle Berner Reformatorica), etc.“

Darüber hinaus war seine Druckerei ein Debattierclub für die Gelehrten der Zeit, in dem gemeinsam nicht nur sprachliche Probleme von Uebersetzungen, sondern auch die Klassiker der Antike intensiv diskutiert wurden – also ein eigentlicher Vorläufer der übrigens erst 1833 nach der französischen Revolution gegründeten Universität Zürich. Schon 1525 wurde in Zürich eine theologisch-philosophisch-philologische Schule (Collegium Carolinum) gegründet, später kamen eine juristische und eine medizinische Schule dazu.

Vor 75 Jahren wurde Leningrad befreit – dazu wieder einmal Schostakowitschs 7. hören!

Vor 75 Jahren – am 27.01.44 – wurde Leningrad befreit, d.h. es wurde der Blockadering der sogenannten deutschen „Wehrmacht“ – in Wirklichkeit eine Terrororganisation sondergleichen – und der finnischen Hilfstruppen im Norden unter dem Hitler-Freund Mannerheim durchbrochen.

Dazu Wikipedia in „Leningrader Blockade„: „Schätzungen gehen von etwa 1,1 Millionen zivilen Bewohnern der Stadt aus, die infolge der Blockade ihr Leben verloren. Die meisten dieser Opfer verhungerten. Die Einschließung der Stadt durch die deutschen Truppen mit dem Ziel, die Leningrader Bevölkerung systematisch verhungern zu lassen, gilt als eines der eklatantesten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht während des Kriegs gegen die Sowjetunion.“

Schostakowitsch – selbst zuerst in Leningrad eingekesselt, nach mehrmaligen Versuchen, als Soldat in die sowjetische Armee oder als Feuerwehrmann in die Feuerwehr aufgenommen zu werden, evakuiert – schrieb seine grossartige 7. Sinfonie (Leningrader Sinfonie) zu Ehren der Eingekesselten. Schostakowitsch dazu: „Ich widme meine Siebente Sinfonie unserem Kampf gegen den Faschismus, unserem unabwendbaren Sieg über den Feind, und Leningrad, meiner Heimatstadt …“ Die Partitur wurde dann nach Leningrad geschmuggelt und dort – zum Teil mit Laienmusikern, weil die Musiker des Sinfonieorchesters teils evakuiert, teils an der Front, teils verhungert und teils zu schwach für eine Aufführung waren – in der Leningrader Philharmonie aufgeführt.

Dmitri Shostakovich’s portrait, in the audience at the Bach Celebration of July 28, 1950. Photo by Roger & Renate Rössing. Aus wikimedia commons, Lizenz cc-by-sa-3.0-de

Dieser Text aus einer Seite der „4. Internationale“ – mit einigen diskutabeln Formulierungen – beschreibt die Geschichte und Aufführung der Sinfonie sehr gut.

Im Netz sind zahlreiche Hinweise zu verschiedenen CD-Aufnahmen zu finden, z.B. hier.

Wir freuen uns hier um jeden Beitrag – vielleicht kann jemand eine Aufführung speziell empfehlen?

Zwingli zum Zweiten, Gottfried Keller und Alfred Escher – nachzulesen bei Konrad Farner!

Im Zusammenhang mit dem sehr sehenswerten Film über Zwingli und der bevorstehenden Ausstellungen über Gottfried Keller (01.03.-26.05.19 im Strauhof) und Alfred Escher (Wanderausstellung vom 16.08.-27.10.19) bin ich auf ein grossartiges kleines Buch von Konrad Farner gestossen: Zürichs Geschichte – Chronik einer Manteldemokratie.

Das Buch beschreibt auf nur 60 Seiten die Geschichte der Stadt Zürich zwischen 929 und 1956 und deren Beziehungen zur Umgebung mit einer unglaublichen Präzision und Eindrücklichkeit. Zugleich ist es eine Lektion des dialektischen Materialismus im allerbesten Sinn. Karl Marx und Friedrich Engels hätten wahrscheinlich ihre helle Freude an diesem kleinen Werk. Es müsste an der Uni Zürich Pflichtlektüre für alle Geschichts- und Philosophiestudenten werden.

Der Essay ist die erweiterte Form einer Rede, die Konrad Farner (unser langjähriges und aktives Mitglied, einer der besten Philosophen und Kunsttheoretiker der Schweiz) zur 600-Jahr-Feier von Zürichs Beitritt zum Eidgenössischen Bund hielt. Konrad Farner schreibt: „Der Restbestand der vom Autor im Selbstverlag herausgegebenen Erstausgabe wurde im November 1956 von randalierenden Faschisten [anlässlich des von der NZZ unterstützten Thalwiler Pogroms – Anmerkung von K+V] öffentlich verbrannt“.

Das Büchlein erschien dann 1971 wieder bei der Verlagsgenossenschaft Zürich und wurde von Buch 2000, Affoltern am Albis, ausgeliefert, später in einer 2. Auflage beim Limmat Verlag. Leider ist es vergriffen und nur noch in verschiedenen Bibliotheken und antiquarisch erhältlich.

PS: Einige Zitate von Gottfried Keller aus dem Buch:

Anlässlich eines Zugs von Knaben durch ein zürcherisches Textildorf – während aus öden Farikfenstern ihnen schmale, kranke Kindergesichter traurig nachblicken – schreibt Keller: „Wessen Kinder sind nun dies? Wollen wir sagen, der Unfreien? Das geht nicht; denn ihre Väter, die auch in der Fabrik arbeiten, haben das Recht, zu den Wahlen zu gehen, wie die Väter der andern; ja, sie werden vom Fabrikherrn sogar dazu aufgeboten; nur ist ihnen zu raten, dass sie so stimmen, wie ihnen anempfohlen wird.“

Oder: „Es wird eine Zeit kommen, wo in unserem Lande, wie anderwärts, sich grosse Massen Geldes zusammenhängen, ohne auf tüchtige Weise erarbeitet oder erspart worden zu sein; dann wird es gelten, dem Teufel die Zähne zu weisen; dann wird es sich zeigen, ob der Faden und die Farbe gut sind an unserm Fahnentuch!“ (Ich empfehle diesen Text insbesondere auch den Blocher-Gläubigen.)