Im Zusammenhang mit dem sehr sehenswerten Film über Zwingli und der bevorstehenden Ausstellungen über Gottfried Keller (01.03.-26.05.19 im Strauhof) und Alfred Escher (Wanderausstellung vom 16.08.-27.10.19) bin ich auf ein grossartiges kleines Buch von Konrad Farner gestossen: Zürichs Geschichte – Chronik einer Manteldemokratie.
Das Buch beschreibt auf nur 60 Seiten die Geschichte der Stadt Zürich zwischen 929 und 1956 und deren Beziehungen zur Umgebung mit einer unglaublichen Präzision und Eindrücklichkeit. Zugleich ist es eine Lektion des dialektischen Materialismus im allerbesten Sinn. Karl Marx und Friedrich Engels hätten wahrscheinlich ihre helle Freude an diesem kleinen Werk. Es müsste an der Uni Zürich Pflichtlektüre für alle Geschichts- und Philosophiestudenten werden.
Der Essay ist die erweiterte Form einer Rede, die Konrad Farner (unser langjähriges und aktives Mitglied, einer der besten Philosophen und Kunsttheoretiker der Schweiz) zur 600-Jahr-Feier von Zürichs Beitritt zum Eidgenössischen Bund hielt. Konrad Farner schreibt: „Der Restbestand der vom Autor im Selbstverlag herausgegebenen Erstausgabe wurde im November 1956 von randalierenden Faschisten [anlässlich des von der NZZ unterstützten Thalwiler Pogroms – Anmerkung von K+V] öffentlich verbrannt“.
Das Büchlein erschien dann 1971 wieder bei der Verlagsgenossenschaft Zürich und wurde von Buch 2000, Affoltern am Albis, ausgeliefert, später in einer 2. Auflage beim Limmat Verlag. Leider ist es vergriffen und nur noch in verschiedenen Bibliotheken und antiquarisch erhältlich.
PS: Einige Zitate von Gottfried Keller aus dem Buch:
Anlässlich eines Zugs von Knaben durch ein zürcherisches Textildorf – während aus öden Farikfenstern ihnen schmale, kranke Kindergesichter traurig nachblicken – schreibt Keller: „Wessen Kinder sind nun dies? Wollen wir sagen, der Unfreien? Das geht nicht; denn ihre Väter, die auch in der Fabrik arbeiten, haben das Recht, zu den Wahlen zu gehen, wie die Väter der andern; ja, sie werden vom Fabrikherrn sogar dazu aufgeboten; nur ist ihnen zu raten, dass sie so stimmen, wie ihnen anempfohlen wird.“
Oder: „Es wird eine Zeit kommen, wo in unserem Lande, wie anderwärts, sich grosse Massen Geldes zusammenhängen, ohne auf tüchtige Weise erarbeitet oder erspart worden zu sein; dann wird es gelten, dem Teufel die Zähne zu weisen; dann wird es sich zeigen, ob der Faden und die Farbe gut sind an unserm Fahnentuch!“ (Ich empfehle diesen Text insbesondere auch den Blocher-Gläubigen.)